Khemisset (28. und 29. 2.)

Unser nächster Stellplatz führte uns zu einem kleinen See in der Nähe von Kehmisset. Dort angekommen spannten wir die Slackline, nutzten endlich mal die Hängematte und erholten uns alle eine Runde von der Fahrt.

Am nächsten Morgen joggte ich mit Rene einmal um den See und wir kundschafteten dabei gleich ein nahegelegenes Restaurant aus. Wenig später waren wir dort essen und mussten feststellen, dass die Zubereitung von Tajine ewig dauert. Wir warteten fast 90 Minuten auf unser Essen, welches dafür aber sehr gut schmeckte. In der Zwischenzeit war der See schon recht gut besucht. Es war Samstag und anscheinend ist dieser See ein beliebtes Ausflugsziel. Als wir wieder kamen saßen 6-7 Jugendliche vor unserem LKW. Wir wurden direkt angesprochen und nach etwas Anlaufschwierigkeiten mit dem Übersetzungsprogramm verstanden wir, dass sie von uns etwas Speiseöl haben wollten. Wir hatten genug dabei und Rene füllte ihnen ein Teeglas voll, während Anne und Mila im LKW blieben. Die Jungs revanchierten sich bei Rene und mir mit jeweils einem Glas Fanta. Sie fragten uns dann noch wo wir herkommen und nach unserer Religionszugehörigkeit. Unser Atheismus kam natürlich nicht so gut an, aber sie hatten zumindest einen in der Gruppe, der wohl unsere Weltansicht teilte. Sie wollten dann gerne noch ein Foto mit mir zusammen vor dem LKW machen(mein deutsches Nummernschild durfte dabei keinesfalls verdeckt werden). Danach wäre eigentlich der Zeitpunkt gekommen, an dem man sich bedankt und erstmal wieder Abstand sucht. Stattdessen wurde ich nun aber sehr direkt mit Hilfe des Übersetzungsprogramms gefragt, ob ich nicht etwas Geld für sie hätte. In der Situation dachte ich, wir wären mehr als quitt und somit war ich erstmal ziemlich überrascht und verneinte nur. So ein offensives Betteln hätte ich an der Stelle jedenfalls einfach nicht erwartet. Bei meinem „nein“ beließen sie es nicht und wollten wissen, warum ich ihnen kein Geld geben könnte. Ich hatte mir natürlich keine Antwort zurechtgelegt und war immer noch perplex. Das beste was mir in der Situation einfiel war auf den neuen marokkansichen SUV direkt am Ufer zu zeigen und ihnen verstehen zu geben, dass sie doch lieber bei ihren Landsleuten nach Geld fragen sollten. So dicke haben wir es schließlich nicht – unser Truck ist Baujahr ´75 – und sicherlich günstiger als so ein Neuwagen. Dies war natürlich nicht die erhoffte Antwort auf ihre Bitte. Sie meinten, dass sie doch nur um 500 DH (also circa 50 Euro) bitten, und kein Vermögen von mir wollten. Ich musste darüber etwas lachen, verabschiedete mich und zog mich zum LKW zurück. Ein paar Minuten später spannte ich mit Rene die Slackline. Es dauerte nicht lang und die Jungs kamen hinzu und beobachteten uns, wie wir trainierten.

Wir boten ihnen dann kurz darauf an es auch mal zu versuchen. Das ließen sie sich natürlich nicht nehmen und jeder versuchte mal auf die Line zu kommen. Als Anfänger kommt man meistens nicht weit und so waren sie ziemlich erstaunt, dass ich einige Meter darüber laufen konnte. So gab es dann ehrlichen Applaus und die Stimmung war wieder bestens. Mit Einbruch der Dunkelheit packten die Jungs zusammen und gingen wieder ihrer Wege. Im Nachhinein beschäftigte ich mich nochmal mit dem Thema und erkannte, dass meine Reiseeinstellung doch nicht so die richtige war. Ich wollte bisher immer möglichst unvoreingenommen die Länder bereisen und war deshalb nicht gut informiert. Die soziale Pflichtabgabe ist eine Säule des Islams inklusive der Almosen als ṣadaqa (Gerechtigkeit). Gleichzeitig denken anscheinend gerade die jüngeren Menschen hier, dass wir als Deutsche automatisch reiche Touristen wären (und damit 50 Euro nur Kleingeld). Betteln ist im Islam jedenfalls ausdrücklich erlaubt, allerdings nur für wirklich Bedürftige. Das nächste Mal werde ich demnach den Spieß umdrehen und fragen, ob sie denn bedürftig und krank seien. Da kann ich mir eventuell die schönsten Geschichten anhören – ist aber immer noch besser, als sich selbst rechtfertigen zu müssen. Außerdem werde ich mir für die wirklich bedürftigen ein paar Münzen einstecken.

Die Nacht am See war dann jedenfalls relativ ruhig und am nächsten Morgen machten wir uns auf nach Mekness.

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